27. Juli 2016

Da geht man nichts ahnend, weil eingeladen, in eine Ausstellung. Gärten und so weiter. Aber nicht einfach Pflänzchen und Kohl, sondern richtig Kultur. Genau, ins Rietbergmuseum in Zürich war ich eingeladen, zur Ausstellung «Gärten der Welt».

Schön gemacht, wie immer an diesem Ort. Aufwändige Platzierungen, sehr gestylte Vitrinen, sauber inszenierte Darstellungen. Ein bisschen vielleicht doch Kraut und Rüben, weil ja die Gärten der ganzen Welt hier zusammenkommen sollten. Auch aus all den Jahrtausenden seit dem berühmten Garten Eden.

Und so schreitet man bedächtig und andächtig durch die Garten-Metaphern. Alte Inkunabeln, Handschriften und Miniaturen, Versailles und auch der Medici-Palast tauchen selbstverständlich auf. Etwas überraschend dann aber Ai Wei Wei mit seinem «Circle of Animals» von 2011. Ja klar, das hatte ja auch mit Garten zu tun. Weil, die standen um 1750 im kaiserlichen Garten. Also nicht genau die, aber ihre Vorläufer aus Stein. Die wurden jedoch bekannterweise zerstört.


Ai Wei Wei –
Foto: Ai WeiWei/Berliner Festspiele/Martin-Gropius-Bau/Mathias Völzke


Was mich aber mehr überraschte als diese Figuren, war eine Beschriftung an der Wand. Da ging es um einen anderen Chinesen, bereits sehr lange verstorben. Über 1600 Jahre schon unter dem Boden. Ein zitiertes Gedicht hat mich verblüfft, wie auch ein kurzer Beschrieb seines Lebens. Leider ging durch dieses auf der Wand angebrachte Gedicht eine Spanplattenfuge, mitten durch die Schrift. Deshalb habe ich eine Rekonstruktion «typografiert».


Die lateinisch-griechische Bibel-Übersetzung von Erasmus von Rotterdam (Bild: Helmut W.Rodenhausen)
Gedicht von Tao Yuanming, auch als Tao Qian bekannt


Da ich seit 2011 täglich ein Gedicht verfasse, hat mich dieser alte Chinese natürlich doppelt interessiert. Nach einer Offiziers- und Beamtenlaufbahn hatte er irgenwann die Nase voll. Er quittierte seinen Dienst, weil ihm das Buckeln und das Korrupte seines Umfeldes nicht mehr passte. Ein Aussteiger, würde man heute sagen.

Er ging auf sein Landgut, ackerte und dichtete und genoss sein Leben bei gutem Essen und Trinken mit seinen Freunden. Offenbar verhalf ihm das zu einem gelösten Umgang mit den Musen. Die gab es zwar in dieser Form nur bei den Griechen, von irgendsolchen Wesensarten muss er aber dennoch geküsst worden sein, der Tao Yuanming. 

Was mir bei all dem auffällt: Es gibt immer wieder Menschen, die irgendwann gelebt haben und heute noch als Beispiel herhalten könnten. Wie man eben auch leben könnte, gelassener, freier, selbstbestimmter.

Die Ausstellung Erasmus im Historischen Museum Basel (Bild: Helmut W. Rodenhausen)
Zeichnungen, welche Tao Yuanming darstellen sollen. Natürlich erst viele Jahrhunderte später entstanden.


Liebend gerne würde ich eine Fotografie dieses ausserordentlichen Dichters sehen. Möglicherweise – es könnte ja sein – sieht der genauso aus wie der Ai Wei Wei heute…